Open Management: Sei kein Kindermädchen – behandle die Mitarbeiter wie Erwachsene

Selbstständige Mitarbeitende organisiert in kleinen Teams – wie in Startups. So die Idee von Open Management. Der Ansatz kommt zunehmend in die Schweiz, ist jedoch bereits lange bekannt. Insbesondere Semco, ein Unternehmen aus Brasilien, prägte den Ansatz des erwachsenen Mitarbeiters.

Als Ricardo Semler das Unternehmen Semco 1983 von seinem Vater übernahm, kämpfte er ums Überleben seiner Firma. Nachdem seine Energie nachliess, entschied er sich für einen radikalen Organisationswandel. 

Heute weiss Semler nicht genau, was sein Unternehmen tut. Es ist in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern aktiv und wird ständig durch die Mitarbeitenden erweitert (Produktions- und Dienstleistungsbereich. Semco entwickelt sich dank den Mitarbeitenden, deren Initiativen und Interessen.

Alle für sich selbst verantwortlich

Semco ist demokratisch organisiert. Alle Mitarbeitenden haben eine Stimme und werden ermutigt, sich einzubringen und kritisch zu hinterfragen. Das führt zu einer etwas anderen Unternehmensorganisation:

  • Team-Struktur: Die Firma ist in Teams organisiert. Jedes fertigt oder erbringt eine abgeschlossene Komponente eines Produkts oder einer Dienstleistung. Jedes Team entscheidet gemeinsam über Budget, Gehälter, Strategie, Personalmutationen und wählen ihren Teamleiter/ Koordinator/ Vorarbeiter.
  • Entscheidungen: Alle Mitarbeitenden können grundsätzlich selbst entscheiden, wobei eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Teamkollegen besteht.
  • Arbeitszeit und -ort: Semco verfügt über unterschiedliche Büros. Alle stehen grundsätzlich allen Mitarbeitenden offen. Jeder kann arbeiten wo er will und wann er will. Die Ergebnisse des Teams zählt.
  • Bürokratie: Maximal eine Seite lang darf ein Memo sein. Ein «Semco-Wörterbuch» mit vielen Bildern ist das einzig übergeordnete Reglement.
  • Organisation: Es gibt vier Organisationskreise. Erstere ist vergleichbar mit dem Verwaltungsrat, welche die Strategie und Richtlinie koordinieren sowie beratend agieren. Im zweiten Kreis lenken Partner die einzelnen Unternehmenseinheiten (max. 150 Mitarbeiter pro Einheit). Innerhalb eines Unternehmensbereichs gibt es Koordinatoren und Vorarbeiter, welche je ein Team leiten. Abschliessend bilden die Mitarbeitenden den letzten Kreis (vor der Reorganisation gab es zwölf Hierarchiestufen).
  • Sitzungen: Meetings können von allen Mitarbeitenden einberufen werden (Publikation im Intranet). Alle Interessierten sowie Betroffene dürfen teilnehmen und mitentscheiden (einfache Mehrheit). Im innersten Kreis, dem Verwaltungsrat, stehen jeweils zwei Plätze zur Verfügung für Mitarbeitende. Sie diskutieren und entscheiden vollwertig mit.
  • Job-Wechsel: Übergeordnet werden Mitarbeitende dazu motiviert, ihren Platz im Unternehmen zu suchen. Dazu gibt es unterschiedliche Massnahmen wie Job-Rotation, -Enlargement (Arbeitserweiterung) und -Enrichment (anspruchsvollere Arbeit).

Mit der neuen Unternehmensorganisation ist Semco höchst erfolgreich. Seit der Umstellung 1993 wuchs der Umsatz jährlich zwischen 25 bis 40% und das Gewinnwachstum beträgt rund 600%. Zudem ist Semco einer der beliebtesten Arbeitgeber Brasiliens.

Es gibt gute Gründe, seine Mitarbeitenden wie Erwachsene zu behandeln und Freiraum zu bieten für Ideen und Initiativen. Denn schlussendlich ist ein Unternehmen das, was die Mitarbeitenden mit Herzblut in Angriff nehmen.