Skill- und Grade-Mix in der Pflege: Alle machen alles ist passé

Ein Koch weiss, wer raffiniert würzt, kann aus allen Zutaten ein Gaumenschmaus zubereiten. Der richtige Mix von einzelnen Aromen überzeugt die Geschmacksknospen.

Im Skill- und Grade-Mix der Pflege geht es um das Gleiche. Verschiedene Berufsgruppen arbeiten zusammen, um Patienten oder Klienten optimal zu unterstützen. Der Patient steht im Mittelpunkt.

In der Pflege ist die Organisation der Zusammenarbeit besonders anspruchsvoll. Verschiedene Berufsabschlüsse und Qualifikationen sind involviert. Speziell herausfordernd ist die neue Arbeitsart für Pflegefachfrauen und -männer, welche ihren Beruf bereits seit Jahren ausüben. Sie müssen sich von Aufgaben trennen, welche sie gerne erledigten. Alle machen alles ist jedoch passé.

13. Netzwerktreffen «Skill- und Grade-Mix»

Das 13. Netzwerktreffen vom 15. November 2012 widmete sich dem Thema «Sekundarstufe 2». Dazu gehört im Gesundheitswesen die dreijährige Berufslehre «Fachmann/ -frau Gesundheit» (FaGe) sowie die zweijährige Attestlehre «Assistent/ Assistentin Gesundheit und Soziales» (AGS).

Ich durfte interessante Inputs mitnehmen und spannende Diskussionen mitverfolgen. Gerne fasse ich hier meine Erkenntnisse kurz zusammen:

Attestausbildung «Assistent(in) Gesundheit und Soziales (AGS)» in der Umsetzung

Die zweijährige Attestausbildung «Assistent(in) Gesundheit und Soziales (AGS)» wird gemäss den ersten Erfahrungen mehrheitlich im Langzeitbereich genutzt.

Der Einsatz in der Spitex ist schwierig, da kaum Arbeiten selbst erledigt werden können. In den Lernzielen ist stets von «mitwirken» die Rede, was Delegation verunmöglicht.

In Spitälern und Psychiatrien fehlt die passende Arbeit. Viele Arbeitsbereiche der AGS-Lernenden sind bereits von anderen Berufsgruppen abgedeckt (Hotellerie, Reinigungsfachkräfte und Fachpersonen Gesundheit).

Bei der Behindertenbetreuung scheint die fehlende Distanz zu den Klienten ein Problem. Die Institutionen bilden häufig selbst Klienten auf Atteststufe aus. Gleichzeitig sollen Lernende im Angestelltenverhältnis ein Attest erlangen. FaGe hingegen arbeiten auf einer anderen Ausbildungsstufe (eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ). Dieser Unterschied dürfe nicht unterschätzt werden, meinte ein Teilnehmer.

(Präsentation von Ruth Fischer, OdA Gesundheit und Soziales Aargau, mit anschliessendem Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern)

Fachfrau/ -mann Gesundheit (FaGe) als Berufsbildner im Akutspital

Was in anderen Berufen bereits üblich ist, entwickelt sich langsam auch im Gesundheitswesen. FaGe-Lernende werden immer häufiger von ausgebildeten Fachpersonen Gesundheit ausgebildet. Bisher übernahm dies häufig das Pflegefachpersonal.

Als ausgebildeter Fachmann Gesundheit freut mich die Entwicklung besonders. Ich bin überzeugt, dass sie die Etablierung als eigenständigen Beruf im Gesundheitswesen positiv beeinflusst.

Eine Vorreiterrolle nimmt diesbezüglich die Solothurner Spitäler AG ein. Im Berufsbildungsteam von Marianne Schär arbeiten rund 87 Berufsbildner. 40 davon sind FaGe mit entsprechender Weiterbildung. Bis auf drei Ausnahmen bilden in den Solothurner Spitäler AG ausschliesslich FaGe  die über 120 Lernenden Fachfrauen und -männer Gesundheit aus.

Die ausgebildeten Fachpersonen Gesundheit arbeiten mit einem Splitting-Vertrag. Einerseits sind sie der Stationsleitung unterstellt und andererseits der Fachverantwortlichen der FaGe-Ausbildung. Für das Pensum als Berufsbilder erhalten sie einen Lohnzuschlag.

Gemäss den Erfahrungen der Solothurner Spitäler AG schätzen die Lernenden «die Gleichheit» der Ausbildnerinnen und Ausbildner sehr. Weiter bietet das neue Modell eine zusätzliche Karrierechance für FaGe.

Bereits die FaGe-Selektion erfolgt bewusst. Das Team von Marianne Schär wählt Interessierte mit Potenzial für die höhere Fachschule und Fachhochschule wie auch solche, die weiterhin als FaGe arbeiten wollen — und sich vielleicht in der Berufsbildung engagieren.

Stefanie Wehrli, Fachfrau Gesundheit und Berufsbildnerin, berichtete daraufhin von den grösseren Umstellungen, welche es für die neue Arbeitsteilung benötigte. Der gesamte Tagesablauf musste neu gegliedert werden, um die FaGe optimal mit deren Kompetenzen zu integrieren. Besonders wurde sie von der Stationsleiterin unterstützt, welche als Zugpferd das Projekt vorantrieb. Neu arbeiten im Team von Stefanie Wehrli alle im sogenannten Tandem-System mit jeweils einer FaGe oder FaGe-Lernenden und einer Pflegefachperson.

(Erfahrungsbericht von Marianne Schär und Stefanie Wehrli von der Solothurner Spitäler AG mit anschliessender Diskussion unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern)

Weiterbildung für Fachpersonen Gesundheit (FaGe) in der Langzeitpflege

Als letzter Programmpunkt ging es um eine neue Weiterbildungsmöglichkeit für FaGe in der Langzeitpflege. Da die Betreuungsgruppen in der Langzeitpflege zunehmend kleiner werden, ist es unmöglich, dass jedem Team täglich eine Pflegefachperson vorsteht. Entsprechend wünschte sich die Betriebe eine Weiterbildung für FaGe mit dem Ziel, die Tagesverantwortung einer Gruppe übergeben zu können.

Die zusätzliche Weiterbildung bietet ebenso eine spezifische Karrieremöglichkeit für Fachpersonen Gesundheit wie obiges Beispiel im Bereich der Berufsbildung.

(Präsentation von Cornelia Reinhard und Johann Krempels vom Careum Weiterbildungszentrum mit anschliessender Diskussion im Teilnehmerkreis)

Merci

Der Kerngruppe des Netzwerktreffens, unter der Leitung von Monika Schäfer, danke ich herzlich für die Organisation. Auch gilt der Dank allen Rednerinnen und Rednern.

Weitere Informationen zu Netzwerktreffen finden Sie hier.

Persönliches Fazit

Alle machen alles ist passé. Das steht fest. Die Berufsgruppen müssen über die Bücher, persönliche Interessen und Vorlieben in den Hintergrund stellen, damit Platz für eine ganzheitliche Lösung entsteht.

Veränderungsprozesse sind anspruchsvoll zu führen und brauchen Zeit. Wichtig dafür sind motivierte Mitarbeiter, welche den Stein ins Rollen bringen — und mit Geduld das Ziel verfolgen.

Zurück in die Küche: Curry ist nicht für alle Gerichte geeignet. Setzt man es jedoch gezielt ein, kann es sein Geschmack — seine Stärke — vollständig entfalten. Würde ein Koch zu viele Geschmäcker mischen, fehlt es ihm vermutlich an der nötigen Raffinesse.

Bei Fragen zur optimalen Teamorganisation in der Pflege stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns.